Wie gefährlich sind medizinische Fake News, Nicola Kuhrt?

Stellt euch vor, es gäbe eine Plattform, die medizinische Falschinformationen entlarvt und die Wahrheit hinter den Schlagzeilen aufdeckt. In dieser Folge von Heilewelt spricht Pia Schüler mit Nicola Kuhrt, Gründerin des Recherchenetzwerks Medwatch über ihren Kampf gegen medizinische Fake News. Sie verrät, wie Medwatch unseriöse Heilsversprechen und falsche Behauptungen in der Medizin aufdeckt und warum ihre Arbeit so wichtig für die Aufklärung der Öffentlichkeit ist – auch wenn sie dabei immer wieder auf Gegenwind stoßen und zum Teil mächtige Gegner gegen sich aufbringen.

Pia Hi. Willkommen zu einer neuen Folge von Heilewelt, dem Podcast über positive Zukunftsvisionen in der Medizin. Ich bin Pia, Ärztin und spreche hier mit den Menschen, die die Medizin nicht nur verbessern möchten, sondern es bereits tun. In unseren Gesprächen tauchen wir in die Welt medizinischer Vorreiter:innen und hören, für welche Visionen sie brennen. Stellt euch zum Beispiel vor, es gibt Plattformen, die medizinische Informationen einem Faktencheck unterziehen und dir so als unabhängige Quelle dienen. Wenn du wissen willst, ob dieses Präparat, von dem alle reden, wirklich so gut ist wie alle oder eben Social Media sagen.

Mit einer Person, die diese Version vor Augen hat, spreche ich heute. Nicola Kuhrt ist preisgekrönte Wissenschaftsjournalistin, Autorin, Redaktionsleiterin bei Table Media und Gründerin von mehreren Projekten, unter anderem dem Recherchenetzwerk Medwatch. Mewatch ist eine Plattform, die gegen medizinische Fakenews vorgeht, zum Beispiel indem sie unseriöse Heilsversprechen entlarvt, falsche Aussagen in medizinischen Podcasts aufdeckt oder Onlineapotheken in den Blick nimmt, die rezeptpflichtige Medikamente ganz ohne Rezepte herausgeben. Damit macht sich das Team, was hinter dem Whiteboard steht, aber auch immer wieder finanzstarke Player zum Feind, sei es große Medikamentenhersteller oder einflussreiche Influencer:innen, was bereits zu mehreren Klagen geführt hat. Journalistisch gesehen wurde Medwatch bereits mehrfach ausgezeichnet sei es mit dem 'Netzwende Award' 2018 oder einer Nominierung für den 'Grimme Online Award' 2020.

Ich hätte noch stundenlang ihren Investigativgeschichten über die verschiedensten Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel zuhören können. Und einige Sachen davon hatte ich zumindest schon einmal gehört. Das aber in einem Fall eine Person erst sterben musste, bis ihren Recherchen Gehör geschenkt wurde, hat mir dann doch noch länger zu denken gegeben. Hi Nicola, voll schön, dass es geklappt hat. Wie geht es dir? Wie war dein Tag bisher? 

Nicola Kuhrt Danke, dass ich mit dir sprechen kann. Mir geht es ganz gut. Ich freue mich sehr auf das Gespräch. 

Pia Ja, gut. Bist du angekommen diesem stürmischen Tag ganz gut hier gelandet, bei uns ist gerade richtig, richtig stürmisch. 

Nicola Kuhrt Ich habe das Glück, dass ich meinen Sohn direkt um die Ecke in die Kita bringe, in die Grundschule und dann ist das Wetter nicht ganz so schlimm. Früher musste ich richtig weit mit dem Fahrrad fahren und jetzt bin ich da eigentlich mal eben - zack und dicke Jacke drüber. Das geht. 

Pia (lacht) Perfekt, sehr gut. Wir sprechen ja heute so ein bisschen in deiner Funktion als Gründerin von Medwatch, und deswegen wollte ich direkt wissen: WIE ist es eigentlich dazu gekommen, dass du gesagt hast, du willst Medwatch gründen? 

Nicola Kuhrt Ich habe sehr lange als Medizinjournalistin die verschiedensten Geschichten recherchiert. Auch als ich bei Spiegel Online gearbeitet habe, habe ich durchaus Geschichten gemacht, wo man ja, medizinische Skandale aufgedeckt hat, beispielsweise wo es um ein MMS ging, dieses 'Mineral Miracle Supplement', was aber eigentlich eine ätzende Bleiche ist, wo dann aber auch im Glauben, dass man damit was Gutes tut, Eltern ihre Kinder behandelt haben. Das haben wir sehr intensiv recherchiert und auch berichtet. Und in dem Rahmen sind zum Beispiel wieder so Lücken im System einfach aufgefallen, also wo dann die Behörden nicht reagieren, weil sie es nicht sehen, weil sie es nicht können, weil sie nicht vernetzt sind, weil es föderal irgendwie blöd ist. So, und das Problem war dann, ich konnte immer die großen Geschichten machen, es ist was Schlimmes passiert. Skandal! So, aber die eigentlich interessanten Fragen 'Warum ist da ein Problem? Welche Behörde, welches Amt müsste reagieren? Braucht es ein neues Gesetz?' Solche Dinge. Das ging irgendwie nie weiter. Also man konnte dieses eigentlich Interessante, diese Nachfragen, nicht berichten, weil das natürlich sehr kleinteilig ist, auch durchaus kompliziert und das fand- nicht nur ich- unbefriedigend, sondern auch ein Kollege von mir, der Hinnerk Feldwisch-Drentrup, den ich auch damals schon lange kannte. Und irgendwann hatten wir halt die Idee, haben gesagt, wir möchten irgendwas anbieten, um eben diese Lücke zu schließen und auch auf Missstände hinzuweisen. Und dann war die Idee da. Wir haben lange hin und her überlegt, auch nach dem Namen weiß ich noch. Und dann gab es vom 'Netzwerk Recherche' dieser Journalistenvereinigung, gab es eine Ausschreibung, dass eben journalistische Projekte sich gründen dürfen und dann eine kleine Förderung bekommen. Dann haben wir uns beworben, wurden in die Endrunde eingeladen und Hinnerk und ich haben dann gesagt, 'okay, wenn wir da durchkommen, wenn wir da gewinnen, dann müssen wir es gründen'. Na ja, und wir haben gepitscht, wir haben gewonnen und das war dann, 'klar okay, dann wird es Medwatch dann geben'. Also den Namen hatten wir in der Zwischenzeit gefunden und das war dann so der Anfang. Das war 2017 im Spätsommer. 

Pia Und was waren so die ersten Reaktionen, die dann gekommen sind, als ihr es gegründet hattet? War es eher sehr positiv oder hattet ihr das Gefühl, die ganze Pharmalobby horcht erst mal auf oder die Behörden werden unruhig? 

Nicola Kuhrt Also wir haben dann ja einiges gebraucht, weil wir ein journalistisches Startup sind. Wir sind gemeinnützig, was eben ja nicht vorgesehen ist, sage ich mal, Also man muss da große Konzepte schreiben und dann auch eine Gesellschaftsform finden. Das ist eine gemeinnützige UG geworden, also eine kleine GmbH. Das heißt, man muss sich als Journalist erst mal ziemlich viel Wissen draufschaufeln. Steuerrechtlich, Gemeinnützigkeits- also keine Ahnung, total viel Kram. Das braucht eine Zeit. Dann haben wir es gegründet im Herbst. Im Winter war das dann schon 2017 richtig beim Notar, mit Unterschrift. Und dann haben wir erst mal ja auch auf dem Blog gebraucht und haben so langsam angefangen. Und wir haben tatsächlich am Anfang gar nicht irgendwelche größeren Pharmakonzerne geärgert, obwohl man das sicherlich auch kann. Und das haben wir auch zwischendurch sicherlich mal getan. Aber wir haben vor allen Dingen über so unseriöse Geschäftemacher berichtet, die dann eher, man weiß gar nicht genau, wo die sitzen, die aber auch einen Quatsch verkaufen. Wo wir dann gesagt haben, "es gibt hier ein Problem, die Leute bestellen das, sie denken das hilft denen, warum kann das sein? Und das sind doch alles zum Beispiel Falschaussagen und es ist sogar gesundheitsschädlich" und das heißt, da haben wir eigentlich immer in den ersten Monaten, fast zwei, drei Jahren vor allen Dingen die Behörden ordentlich geärgert. Also auch mit Verbraucherzentralen zusammen abgesprochen, also uns ausgetauscht. Wo sind da die Missstände, was ist schon bekannt? Wir haben ziemlich viel zu tun mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, natürlich mit dem Gesundheitsministerium. Und da kannte man uns dann. Und die Reaktion, das war ja eigentlich deine Frage, waren (...)interessant. Zum Beispiel. Also die, die Nutzer, also unsere Leser:innen, haben das auch sofort angenommen. Wir haben relativ schnell auch ziemlich viele Follower auf Twitter gehabt. Da wusste ich dann auch so, wir sind ja da angekommen. Es schrieb jemand so "ja, so und so, ein Produkt". Und der andere schrieb dann drunter "Ja, frag doch mal bei Medwatch". Also das war ein schöner Moment. Es war vielleicht so nach drei, vier Monaten, wo ich dann dachte 'okay, die Leute haben verstanden, wofür wir stehen, was wir möchten'. Und die Journalistenkolleg:innen haben das auch sehr, sehr gefeiert fast, muss man sagen, weil die einfach das total klasse fanden, dass Hinnerk und ich das gestartet haben. Ich glaube, weil das war ja auch so die Zeit, wo dann so die ersten journalistischen, kleineren Startups losgingen, also die, in die Medienszene sozusagen sich gegründet hat und da war einfach sehr viel los. Genau. 

Pia Ja, jetzt seid ihr ja inzwischen schon ein größeres Team und nicht nur ihr beiden. Wie macht ihr das denn genau? Wo fangt ihr so an und was knüpft ihr euch so vor? Habt ihr, sagt ihr "Okay, das was gerade in aller Munde ist, was irgendwie sehr en vogue ist. Das müssen wir jetzt uns hier genauer angucken". Oder habt ihr eher das Gefühl, "das und das Thema oder Präparat oder was auch immer, was noch nie beleuchtet wurde, das nehmen wir jetzt in den Fokus". 

Nicola Kuhrt Also ich würde jetzt so rückblickend, jetzt haben wir ja schon auch zweidreiundzwanzig fast durch, würde ich verschiedene Phasen fast schon sehen. Also wir haben zu Beginn, waren wir zu zweit, Hinnerk und ich und haben sehr viel über Produkttäuschung berichtet. Also so im Bereich Schlafmittel oder Beruhigungsmittel, 'besser schlafen', so was in der Art, da habe ich sehr viel zu gemacht und Hinnerk hat sich sehr viel mit homöopathischen Produkten beschäftigt und der Szene und eben auch mit Heilpraktiker:innen, die das dann abgeben. Das waren bestimmt so die ersten zwei, drei Jahre, wo wir das gemacht haben. Da gab es dann auch an der holländischen Grenze auch einen Fall, der auch überregional bekannt geworden ist, wo ein Heilpraktiker mit einem selbst zusammengerührten Mittel war das, glaube ich, Menschen behandelt hat gegen Krebs. Und da sind dann auch Leute gestorben. Das ist auch vor Gericht gewesen, das haben wir groß berichtet, weil wir natürlich immer gefragt haben, "Wie kann das sein?" Wir berichten auf Basis der evidenzbasierten Medizin. Also wir fragen da auch nach Studien und nach Belegen. Und ich habe viel geschrieben zu 'Iberogast'. Das ist ein Magenmittel von Bayer, wo auch Schöllkraut drin ist. Und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hatte immer schon gesagt "Ihr müsst da die Sicherheitshinweise auf den Beipackzettel stellen", was sie nie gemacht haben. Und dann sind immer mal wieder so Fälle auch gesammelt worden, wo das den Menschen nicht gut bekommen hat. Das hat aber nicht gereicht. In der Schweiz gab es dann ein Update sozusagen und ich habe, ich bin da eingestiegen, das muss so 2019 ungefähr gewesen sein. Und habe dann gefragt, warum das dann in der Schweiz ist und in Deutschland nicht. Und dann kamen halt diese ganzen gesetzlichen Hickhack, Auflagen usw. und das BfArM hat immer gesagt, dass sie nicht dagegen vorgehen. Sie hätten ja klagen können, weil sie noch nicht genug Stoff hatten, weil sie wussten, mit dem was sie bis dato hatten, würden sie verlieren vor Gericht gegen Bayer. Und dann ist was ziemlich schlimmes passiert. Dann ist nämlich jemand gestorben, nachweislich mit Leberschaden und der hatte dann dieses Iberogast genommen und ist halt verstorben. Und dann musste das BfArM auch gar nichts mehr machen. Da gab es also ich krieg das auch nicht mehr ganz hin, ist schon ein bisschen her, aber es gab auch eine Einigung. Und dann hat Bayer tatsächlich diese Hinweise auf den Beipackzettel von Iberogast gedruckt. Also wenn man einen Leberschaden hat, oder Leberprobleme, oder wenn man schwanger ist, soll man es eben nicht nehmen. Da haben wir viel berichtet und das war so die erste Zeit. Dann würde ich sagen, so nach drei Jahren hat sich das dann auch bei uns ein bisschen auseinander entwickelt und Hinnerk ist dann auch rausgegangen. Ich habe das dann eine Zeit lang so mehr oder minder alleine gemacht. Dann kam halt auch Corona und ich habe mir dann Hilfe gesucht und das ging relativ schnell, weil dann kamen ja so diese Zoom Konferenzen und seitdem sind wir halt eine eine Online- Zoom Konferenz - Redaktion (Pia lacht) und wir sind wenn alle kommen, sind wir bestimmt 15, 16, freie Autor:innen aller Couleur, von Biologen über Psychologen, Tierärztinnen, Mediziner, Apotheker, ein großes Team. Und unsere Themen, deine Frage war das, kommen aus A dem Knowhow, was wir haben, was wir sehen, was für Dinge wir selber angucken. Plus, wir haben eine recht muntere Community. Die Leute schreiben uns auch und fragen: Was ist das? Und dann gucken wir uns das an, und wenn es jetzt so sehr kleine Fälle sind, dann beraten wir die Leute so, was sie jetzt machen könnten. Wir müssen natürlich aufpassen. Wir sind Journalisten. Es ist ein journalistisches Produkt, aber wir geben Hinweise. Und ansonsten nehmen wir die Hinweise auf, die wir recherchieren. Und dann machen wir da Geschichten draus. 

Pia Ja, jetzt hast du schon mal so ein Beispiel genannt, wo es, also die Maximalform ist, wie es jemanden geschädigt haben kann so medizinische Fakenews letztendlich, oder fehlende, ja, fehlende Informationen auf, zum Beispiel in der Medikamentenpackung. Würdest du sagen, es gibt irgendwas, wo man auf jeden Fall sehr gut Fakenews erkennen kann im medizinischen Kontext. So die drei Warnzeichen oder so was? 

Nicola Kuhrt Ja, ich würd gern ein bisschen weiter ausholen, weil meine Feststellung ist, es ist ein bisschen so ein Hase und Igel-Spiel heißt es glaub ich. Also ich sag jetzt mal, die unseriösen Geschäftemacher, die genau wissen, dass sie mit Arzneimitteln, also nachgemacht oder mit, mit irgendwelchen Nahrungsergänzungsmitteln, die Schönheit, Gesundheit, Potenz was auch immer versprechen. Die sind sehr raffiniert. Also die, die wissen genau, wie es läuft, die bauen die besten Websites. Es ist manchmal wirklich schwer zu erkennen, ob das jetzt was ist oder nicht. Es gibt so einige Sachen, die man aber ja, egal ob es ein Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel ist, eigentlich immer sehen kann und wo man dann einfach als als Verbraucher skeptisch werden sollte. Das ist, wenn gesagt wird 100 % Wirkung und keine Nebenwirkung. Das ist einfach, das ist Quatsch, das gibt es nicht, weil alles hat ja auch eine Wirkung und dann ist da auch mal eine Nebenwirkung dabei. Also wenn da so, so vollmundige Versprechen gemacht werden und eben gesagt wird, keine Nebenwirkungen, da kann man schon mal sagen 'Hm, nee'. Und der einfachste Tipp ist tatsächlich, das sind ja vor allem Websites, wo diese Dinger dann angeboten werden und dann IMMER aufs Impressum gucken, egal ob man sich nur informiert und dann die Information von der Seite nimmt oder ob man tatsächlich sowas da bestellt. Gucken, immer auf das Impressum und man kann eigentlich davon ausgehen, wenn es eben nicht seriös ist, dann ist es auch kein deutsches Impressum, wo zum Beispiel auch alles an Adresse angegeben sein muss, eine Telefonnummer, die Handelsregister etc. wenn dann da nur so was Kryptisches steht. Oftmals basteln die dann auch so Logos unten rein, von- weiß ich nicht wenn das so Leute sind, die auch was versenden, findest du da auch so, Deutsche Post und so `nen Kram, DHL- die sind aber alle gefaked. Das sind gar keine echten Logos und die Adressen sind dann oft in ostdeutschen Regionen oder teilweise auch, das hatten wir auch öfter, im Pazifischen Ozean. Wo wir dann auch schon mal eine, in einer Recherche haben wir dann auch mal eine Abmahnung, weil man das einfach muss und nachweisen muss, haben wir die halt irgendwie auf die Seychellen geschickt. Was natürlich total Quark ist, haben wir auch nie Antwort bekommen (Pia lacht), haben es auch nicht erwartet. Genau. Aber da muss man einfach als, als Verbraucher einfach, das sind ganz einfache Sachen, einfach gucken, was steht im Impressum oder manchmal gibt es das auch gar nicht und dann weiß man schon okay, geht nicht. 

Pia Ja. Ich habe ja das Gefühl, auch viele von solchen Präparaten werden über Social Media vermarktet oder gestreut. Da ist ja so dieses Impressum, wo ich einfach draufklicken kann, also auch viele Leute haben da ein Impressum so ist es nicht. Aber letztendlich ist das ja schon häufig so was, wo eine sehr, eine Nähe aufgebaut wird. Vielleicht auch durch Leute, die noch erzählen, wie es ihnen damit gegangen ist oder eine Erkrankung hatten und von ihrem Verlauf erzählen. Und da haben wir aber ja weniger so dieses Impressum oder wo man drauf gucken könnte. Hast du da irgendwas, wo du sagen würdest, da sollte man irgendwie vorsichtig sein, außer natürlich dieses Null-Nebenwirkungen bzw. 100 Prozentige Wirkung? 

Nicola Kuhrt Ja, das ist auch übrigens so die dritte Phase jetzt für Medwatch (Pia lacht). Also wir haben seit ich würde mal sagen, seit anderthalb, zwei Jahren sind wir auch auf Instagram aktiv und die Marie Eickoff macht das vor allen Dingen und da beschäftigen wir uns auch sehr viel damit, was diese Influener, die dann eben medizinisch oder Gesundheitstipps geben, was das für Auswirkungen hat generell, das ist halt auch noch so ein Tipp. Man braucht halt die meisten Sachen, die empfohlen werden, braucht man nicht. Also wenn man sich einigermaßen vernünftig ernährt, bisschen rausgeht zwischendurch, dann braucht man KEIN einziges Nahrungsergänzungsmittel. Deswegen kann man sich diesen ganzen Mist sparen. Ja, man sollte ein bisschen Sport machen, dann ist aber wirklich alles gut. Also da muss man sich, glaube ich, als Mensch, der dann da auch auf Insta oder wo auch immer unterwegs ist und sich das einfach bewusst machen. Dass das einfach verfängt und das wird halt ausgenutzt. Und man muss sich halt auch deutlich machen, dass diese Leute dann ja auch Produkte empfehlen und damit verdienen die ihr Geld. Das heißt, es ist ganz klar, dass das auch irgendwie kein Tipp von einer echten Freundin ist,  die sagt "Ess doch lieber mal die Apfelsorte, die schmeckt besser als die Grüne" so. Das ist halt was anderes. Aber dadurch, dass es so nah dran ist und natürlich auch gerade bei etwas jüngeren Leuten, passiert das schnell, dass man denkt 'Ja, ich will auch so aussehen, ich möchte auch so schöne Haare haben' oder so was in der Art, das passiert schnell. Und da kann man wirklich nur über Aufklärung und über Berichterstattung von allen Seiten gehen. Wir sind seit, ich denke, seit einem Jahr ein bisschen mehr bei Instagram und berichten dann auch über die Phänomene, die uns dann da begegnen, wo man dann auch so einzelne- in dem Fall war es eine Frau, die sehr viel auf Schönheit gegangen ist, die auch viele Follower hat dort- und die dann irgendwann angefangen hat, sie will jetzt auch Arzneimittel anbieten und hat dann angefangen, eigene Nahrungsergänzungsmittel oder auch Mittel gegen Krebs anbieten zu wollen, wo wir dann einfach als Medwatch dann eigene Videos gemacht haben. Und dann nehmen wir die Aussagen aus diesen Videos peu a peu auseinander und schneiden dann sozusagen die Evidenz dagegen. 

Pia Hat schon Unterhaltungswert, quasi ne? 

Nicola Kuhrt Das hat Unterhaltungswert. Das ist auch sehr aufwendig für uns als Printleute, die dann online machen, ist dann das noch mal eine Stufe mehr, weil du hast dann- mit einem Video hast du dann plötzlich 40.000, 50.000 Menschen, die sich das angucken. Das ist schon krass. Und dann haben wir sehr viel gemacht über 'morenutrition', das ist ja dieses Phänomen, kann man ja fast sagen, wo Dinge angeboten werden, dass du irgendwie einmal am Tag, oder so zweimal, so nach Protokoll dann auch so Nahrungsergänzungsmittel einwirfst und diese, diese schillernde Figur des Firmengründers, der dann auch noch verlobt war, die dann auch auf Videos dann das einem zeigen, dass man mit diesen Pillen groß, schlank, schön, stark sportlich wird. Darüber haben wir ein paar Mal berichtet, auch zusammen mit Quarks und Co. Und dann haben wir auch einmal berichtet, nachdem es da sehr viel Kritik gab, auch im Netz, an diesem Unternehmen. Und dann haben sich ganz, ganz viele Leute, die schon über Monate, Jahre dieses Zeug dann auch eingeworfen haben. Sie haben sich dann bei uns gemeldet, haben halt berichtet über das, was ihnen da so aufgefallen ist, was ihnen passiert ist. Wir haben das dann auch berichtet. Das hat jetzt dazu geführt, dass wir auch verklagt worden sind. Das gab eine einstweilige Verfügung und wir müssen oder sollen gewisse Dinge zurücknehmen unserer der Berichterstattung, was wir nicht machen, weil wir das natürlich belegen können, dass die Dinge so sind. Oder sie sind eben generell evidenzbasiert, eben nicht so- also das, was bei uns im Text drinsteht, ist halt auch immer hoch und runter geprüft. Und da sind wir auch gerade noch im Verfahren. 

Pia Hm, vielleicht kann ich an der Stelle einmal einwerfen Du hast ja schon gesagt, dass bei euch jetzt kein Sponsor oder irgendjemand dahinter steht. Also wenn ihr auch das Gefühl habt, das ist eine total sinnvolle Sache und ihr freut euch, dass es solche Informationen gibt, könnt ihr Medwatch auch gerne unterstützen über die Webseite. Ich habe mich so ein bisschen gefragt, als ich mich auf das Gespräch vorbereitet habe. Ob dieser Kampf oder quasi dieses 'aufmerksam machen' über einzelne Präparate oder einzelne Leute oder Firmen. Nicht so ein bisschen vielleicht ein Kampf so gegen - also David gegen Goliath ist- gar nicht vielleicht jetzt zwingend in dem, was an Größe oder an Finanziellem dahinter steht, aber vielleicht auch ein bisschen wenn du zum Beispiel sagst, dass ihr jetzt verklagt worden seid, aber eben halt auch einfach was die Masse angeht und hab mich so ein bisschen gefragt, ob wir nicht eigentlich ein bisschen mehr da ansetzen müssten, die Leute daran zu schulen, Fakenews zu erkennen, sie einordnen zu können, also viel mehr in die Richtung gehen. Weil ich das auch supercool finde, was ihr macht. Und ich könnte dir auch, glaube ich, noch stundenlang dabei zuhören, wie du irgendwelche einzelnen Präparate und so vorstellst, wo man auch sich an den Kopf fasst und denkt 'Krass, was ihr da aufgedeckt habt'. Aber genau, das ist ja ein wahrscheinlich nie endendes Quell- Quelle, ist an wieder neuen Fakenews, die da kommen. 

Nicola Kuhrt Also ich beobachte, dass mehr Aufmerksamkeit da ist. Natürlich ist dieser Begriff 'Fakenews' ist es auch voll, wie soll man sagen, abgelutscht. Den gibt es ja in allen Bereichen. Aber es gibt ja auch Workshops und es gibt Initiativen, die sich initiativ darum kümmern, auch bei Jugendlichen zum Beispiel, so die Medienkompetenz herzustellen, dass man zum Beispiel relativ schnell weiß, 'okay, da ist was, interessiert mich, wie kann ich erkennen, dass der Experte richtig ist'. Da wedelt dann da im Video einer rum im weißen Kittel, spricht von irgendwelchen Studien. Wie kann ich checken, ob das wirklich ein Experte ist? Wie kann ich sehen, ob eine Studie eine Studie ist oder ob das nur Einzelfallberichte sind, wo man dann immer schon weiß, also - das gibt es und wir haben auch zusammen mit einigen namenhaften Experten vor drei Jahren eine Studie gemacht, wo wir uns auch angeguckt haben, wie ein Kriterienraster, was wir entwickelt haben, mit dem man dann so einzelne Werbeaussagen abprüfen kann, auf -zum Beispiel ma guckt, wie sind die Aussagen zum Risiko? Wie sind die Aussagen zu den/ zur Wirkung, zu den Nebenwirkungen? Das haben wir entwickelt. Und dann haben wir gesehen, wie das sozusagen umgesetzt wird. Wenn du dann mal guckst, du gibst irgendwas ein, bei Google und was kommt auf der ersten Seite? Wir haben die Begriffe genommen, ich glaube, es war Rheuma, Impfen. Es ging um diese Beinprothesen und wir haben das dann mal gecheckt und haben einfach mal untersucht, wie seriös sind die Angebote, die dir da so entgegenkommen? Und das haben wir mit Menschen gemacht, die auch dann zum Beispiel wieder in die Gesundheitsbehörden gegangen sind. Wir haben ja drei Ministerien in Deutschland, die in teilen sich dann auf Verbraucherschutz konzentrieren. Wir haben einen relativ intensiven Austausch gehabt mit dem Verbraucherschutzbereich im Ministerium für Justiz. Also da sind überall jetzt Menschen, die da auch was wollen. Auch die Verbraucherzentrale hat einen eigenen Bereich 'Klartext Nahrungsergänzungsmittel', die sehr aktiv sind, die viel gucken, die auch mit uns sich absprechen, die dann auch mal Abmahnungen rausschicken. Aber ja, es ist schwierig und das wird auch nicht besser werden. Es nimmt eher zu. Ich hatte schon gesagt, die Leute, die das machen, sind sehr professionell. Auf der anderen Seite, finde ich, gibt es halt keine Alternative. Man muss weiter dabeibleiben, diesem ganzen Mist auch dann das Gute entgegenzuhalten. Also man kann ja sagen, es gibt total viel und eigentlich müsste man eher noch dafür sorgen, dass die guten Informationen so viel werden, dass sie eben über diesem ganzen Mist stehen. Das gelingt sogar manchmal mit guter SEO ( = Suchmaschinenoptimierung) und mit mit guten Geschichten. Aber das sind dann Glücksfälle. Das heißt, es bleibt ein Kampf. Aber ich sehe das nicht als hoffnungslos. 

Pia Da schließe ich so ein bisschen meine nächste Frage an, weil ich dich noch fragen wollte, wie du sagen würdest, dass wir es schaffen, evidenzbasierte Informationen so einfach verständlich und sehr nahbar darzustellen, dass es möglichst viele Menschen erreicht. Ich frag mich das auch manchmal wirklich bei Studien, wo ich verstehen kann, dass natürlich medizinische Laien sich nicht fünf Studien anlesen, die sie eigentlich auch nicht richtig bewerten oder einordnen können, selbst wenn sie sie komplett lesen würden. Und ich hab mich da so ein bisschen gefragt, wie wir das schaffen könnten, einfach dem quasi die Informationen entgegenzustellen. 

Nicola Kuhrt Also ich bin deswegen sehr beglückt eigentlich, dass es Instagram gibt und auch - also wir sind bei bei Twitter und wir werden auch zu Blue Sky gehen und dann Twitter wahrscheinlich verlassen- wenn es weiter so schlimm bleibt. Und das sind ja schon Wege, wo man schneller mehr Menschen erreicht. Und das fordert dich natürlich auch journalistisch noch mal heraus. Die Zeiten, wo du da riesen Riemen geschrieben hast- war ich eh nie ein Freund von. Aber wo du wirklich das kompliziert und einfach lexikonmäßig da hingeschrieben hast und dann auch der Wissenschaftsjournalist noch so ein bisschen, der der Gatekeeper war und die Rolle hatte das, was ich jetzt in der Zeitung schreibe, das können die Leute noch lesen. Dass die Zeiten sie ja schon lange vorbei und so oft, dass man dann damals noch so gesagt hat 'Der Journalismus gerade dann im Bereich Wissenschaft, der Wissenschaftsjournalismus ist dann auch so ein bisschen die Kläranlage und lässt dann nur die guten Dinge durch'. Dafür ist einfach die Medienlandschaft zu breit geworden. Es gibt einfach auch die/ eigentlich kann ja jeder irgendwie eine eigene Zeitung starten oder einen Blog oder was auch immer. Das heißt, da muss man sich von verabschieden und dann, wie ich eben schon sagte, dem was Gutes gegenüberstellen. Und wenn ich dann sehe, was wir auf Instagram machen oder auch auf Twitter, wo wir 11.500 mittlerweile Follower haben, also da kann man schon durchaus Dinge bewegen. Und dann bist du aber gezwungen, als Journalist auch auf den Punkt zu schreiben. Und dann musst du auch gucken, dass die Info, die du dann da hast, kurz und knapp, aber trotzdem richtig ist. Und das ist eine große Herausforderung. Der muss man sich halt einfach stellen. 

Pia Hast du das Gefühl, Gesundheitsarbeiter:innen sollten viel mehr das auch parallel machen bzw als ihre berufliche Mitarbeit sehen, auch solche Informationen zur Verfügung zu stellen? Also es gibt ja immer mehr 'Medfluenzer', die wirklich ja auch teilweise sehr gute Sachen machen und auf Dinge aufmerksam machen. Und ich meine, ich kenne jetzt sicher nicht die die breite Masse, aber ich würde sagen, es gibt schon einige, wo ich das Gefühl habe, dass die ganz gut Informationen irgendwie darstellen und einordnen. Hast das Gefühl, dass das viel mehr eigentlich dazu gehören müsste? 

Nicola Kuhrt Ja, wobei gerade bei den Menschen, die im Gesundheitsbereich arbeiten, würde ich sagen, die sind ja schon so was von oft am Limit. Denen da jetzt noch so was aufrupfen zu wollen, würde mir irgendwie gar nicht angenehm sein. Es gibt ja auch innerhalb dann diesen ganzen/ gibt es ja auch Verbände oder Gruppen, die sich da auch engagieren. Es gab ja die Initiative jetzt, die sich sehr viel mit Homöopathie beschäftigt hat, die da aufgeklärt hat, oder es gab ja auch eine, in Corona Zeiten, das ist ja auch noch mal ein spezielles Kapitel. Gab es ja auch viele Initiativen. Also ich glaube, das Bewusstsein wächst und ich glaube, was ich noch wichtig fände, was auch jetzt schon in mehreren Initiativen tatsächlich gemacht wird ist, dass man einfach die Jugendlichen an den Schulen auch viel mehr mitnimmt. Schon dass man da die berühmte Medienkompetenz schult und ob die dann lernen- also die lernen die Basics- und wenn sie dann mit diesen Basics erkennen, ob eine politische Information korrekt ist oder ob sie verstehen, ob Werbung für irgendein Mittel, das die Wimpern schön machen soll, ob man da vielleicht noch mal genauer drauf gucken sollte. Das ist glaube ich egal. Im Endeffekt geht es nur darum, dass wir einfach uns alle mehr bewusst sein müssen, dass das, was uns da an Dingen entgegenschwappt, hoch manipulativ sein kann und dass man eben nicht wie früher davon ausgeht, dass das stimmt. Ja, und ich glaube, da ist noch viel Arbeit zu tun. Ich sehe aber wie gesagt, dass da ja immerhin schon die Sachen in die richtige Richtung gehen. 

Pia Ja, so ein bisschen provokativ gefragt wo würdest du sagen, ist denn das Problem mit medizinischen Fake News? Also man könnte ja auch dem entgegenhalten und sagen "ein Placebo quasi hat noch niemandem geschadet". Also wenn es jemand gibt, der gerne Vitaminpräparate einnimmt und sich dadurch einfach fitter und besser fühlt. Wo ist irgnedwo so die Grenze, wo man sagen würde 'Echt, da hört es auf'? 

Nicola Kuhrt Also ja, wegen mir gerne, aber A ist es Blödsinn, es kostet Geld, also irgendwie schädigt es schon. Und wir haben auch mal mit diesen Expert:innen, von denen ich eben auch sprach, wo wir diese Studie auch gemacht haben, haben wir auch mal definiert, 'Was ist denn eigentlich eine schlechte Gesundheitsinformation'? Und eine schlechte Gesundheitsinformation ist eben eine solche, die dir natürlich körperlich schaden kann, weil du dann, weiß ich nicht wie Steve Jobs Brennnesselsaft oder Schlangensud trinkst und nicht eine herkömmliche Krebstherapie machst. Wenn du dann denkst, irgendwann, 'Ach vielleicht sollte ich doch mal eine herkömmliche Krebstherapie machen', dann ist es halt zu spät. Also das ist jetzt natürlich ein drastischer Fall, aber er erklärt glaube ich, ganz gut, was, was passiert. Wenn man nämlich dann den Dingen vertraut, die gar nicht erprobt sind, die auch gar nicht ihre Wirkung belegt haben, die dann im schlimmsten Fall eben GAR nichts machen, aber du dafür dann wichtige Therapien, die auch schon erprobt sind, nicht machst, dann hast du einen Schaden. Vielleicht auch erst indirekt, aber wenn es dann um Leben und Tod geht, dann relativ schnell. Und was/ ein weiterer Schadensfall ist natürlich eben diese Geldbörse von dir, die für Unsinn geschröpft wird. Und das ist ja, also der Mensch wird da einfach verarscht. Und was ein ganz wichtiger Faktor ist, dass man nicht so direkt auf dem Schirm hat, ist aber du. Du verlierst ja dann irgendwann auch dein Vertrauen in das in das klassische System. Und das Gesundheitssystem hat viele Fehler, sicherlich, aber es hat dennoch Anker, die dafür sorgen, dass das, was du da bekommst, in den meisten Fällen dir auch hilft und dir wirkt. Und das ist, es ist erprobt. Es hat Studien, Zertifizierungsphasen durchlaufen, zu deinem Besten. Kostet meistens auch nichts, aber wenn dieses Vertrauen in diese, in die erprobten Wege dann verletzt wird. Dadurch, dass du denkst, dass 'die da oben' im besten Fall, die wollen doch nur das Geld aus der Tasche ziehen, oder die, die sagen, nur ich soll eine Maske tragen, die/ es wirkt doch gar nichts- also jetzt bei Corona. Also wenn dann so dieser Glauben an die Grundwerte so der Gesellschaft verloren geht, mehr oder minder dadurch, dann finde ich das halt total eklatant. 

Pia Ja, ich habe das Gefühl, dass ein Problem ja von diesen Falschnachrichten ist, dass sie so schön einfach sind. Also so wie du ja auch jetzt schon mehrmals gesagt hast, 'ich muss nur das nehmen und dann bin ich gesund, schlank, schön, was auch immer, werde Krebs überwinden', wie auch immer und habe das Gefühl, dass das eben häufig das Grundproblem ist, dass es eben einfach ist, im Vergleich zu Nachrichten oder Zusammenhängen, die halt viel komplexer sind. Und gleichzeitig bin ich persönlich ein Mensch, der irgendwie diese Komplexität immer total schätzt. Hast du das Gefühl, wir schaffen es irgendwie insgesamt wieder, mehr Menschen für Komplexität und damit auch so ein bisschen für Wissenschaft zu begeistern? 

Nicola Kuhrt Das ist ein großes Thema in Coronazeiten vor allen Dingen gewesen, wo ja dann irgendwann es sich so bewegt hat. Das ies eine große Gruppe von Menschen gab zum Beispiel in Deutschland, die dann gesagt haben "ich lass mich nicht impfen". Und als Wissenschaftsjournalistin war ich extrem erstaunt, weil ich bis dato dann auch immer so Geschichten geschrieben habe, wie toll das eigentlich ist, dass man damals doch in ECHTZEIT beobachten konnte, wie ein wirksames Medikament entwickelt wird. Und stattdessen schreibt man dann relativ schnell 'Ja, warum ging das denn jetzt plötzlich so schnell? Das kann doch gar nicht sein'. Dann kannst du zehnmal erklären, die haben ganz viele Schritte, die sonst nacheinander erfolgen, parallel gemacht, die haben da extrem viel Geld reingepumpt und was noch alles an Kooperationswegen da gemacht wurde. Und das wird ja trotzdem erprobt. Und das ist auch bei der Zulassung so gewesen, dass die Sachen ja trotzdem schon eine gewisse Gruppe an Menschen erreicht hatten vorher. Also es war ja nicht so, die haben bei Biontech irgendwie was gemacht und eine Stunde später haben sie das dann verabreicht. Also das dann so zu erklären. Und damals habe ich dann irgendwann festgestellt, das half ja gar nicht. Also das war so, man erklärt im besten Wissen, das was, was Tatsache ist, was der Fakt war. Und dann hast du aber diese Menschen, die entweder schon sozusagen über den Zaun "ich will mich nicht impfen lassen" gesprungen sind oder die vielleicht noch oben auf dem Zaun sitzen und überlegen "soll ich, soll ich nicht?" Und dann komme ich als Journalistin und erklärt denen die Welt. Und dann habe ich damals gemerkt, ich hatte auch ein Gespräch mit zwei Leuten, die sich nicht haben impfen lassen wollen. Das war, glaube ich, im Deutschlandfunk und das war auch, man erklärte das und dann sagt dieser eine Mensch sagt dann am Ende "Ja, vielen Dank, dass ich auch mal in ihre Welt gucken durfte" (Pia lacht). Und das hat mich total umgehauen, weil da habe ich verstanden. Und da geht es ja auch jetzt in den Diskussionen drum mit 'Debunking' (=Klassifizierung einer Information als unwahr) und so, wie kann man irgendwie das überhaupt machen? Also dass man die Dinge, die sind halt komplex, wie kann man das an die Leute bringen? Und damals habe ich verstanden, wenn ich da einen großen Artikel schreibe und einfach aufzähle, was Sache ist, 'das ist da geprüft, die Studie, die Teilnehmer mit dem Blabla', das interessiert die Leute nicht. Und das ist mir damals sehr klar geworden. Die Leute sind ja oftmals auch in ganz anderen Settings unterwegs. Sie haben ganz andere Sorgen. Sie haben oft auch einfach Schiss, die verstehen das nicht. Und bei Corona war es auch so, das hat ja auch viele Lebensbereiche eingeschränkt und alle saßen da und waren total überfordert. Und da will ich da nicht große Erklärungen hören, sondern da will ich dann einfach hören so, 'nee, das ist alles Blödsinn, das geht vorbei, das haben die sich ausgedacht', das ist natürlich oder also es gab ja da diverse Geschichten, die dann erzählt wurden. Das ist halt einfach leicht und der Mensch wollte auch, glaube ich, in dieser Situation, es ging ja eigentlich allen so, natürlich auch ja irgendeine Sicherheit und  sich da irgendwie selber wieder rausholen. Und deswegen ist glaube ich dieser Mechanismus einfach zu sagen, 'ich sage jetzt, das sind die Fakten' und dann wird es schon irgendwie funktionieren, dann müssen die Leute da auch irgendwie mit klarkommen, sich das, dann 'müssen sie sich das halt mal durchlesen'. Das funktioniert halt nicht mehr. Das heißt, man MUSS gucken, 'wie kriege ich das an den Menschen'. Und dann kommt natürlich das Problem, ich kann nicht mit jedem Kaffee trinken gehen und dem dann alles in Ruhe mal erklären. Also man muss ihn ernst nehmen und ich muss auch erst mal, das ist glaube ich, auch ein großer Unterschied- tschuldigung aber du merkst, es ist ein Thema- meint man, man denkt immer so, also ist das ist ja fast arrogant, ich fand mich dann als Journalistin auch voll arrogant, einfach zu sagen "Ich schreib das jetzt hin. Ich habe ja recht, warum verstehst du das nicht?" Und, und das- und sich das erst mal klarzumachen, das ändert dann auch die Art, wie du journalistisch dann das umsetzt, weil du kannst das dann nicht mehr so aufschreiben weil du genau weißt, A das kommt eh nicht an und B eigentlich so ein bisschen "Schäm dich". Also nur weil du vielleicht auch Glück hattest, dann das tolle Studium hattest und keine Ahnung und jetzt in der Lage bist, das auch zu lesen und so. Und dann bist du ja noch lange nicht, irgendwie weiß ich nicht, hat dann vielleicht ein Erkenntnisvorsprung, aber man muss da sehr gut mit umgehen. 

Pia Und würdest du sagen, was resultiert aus dem, dass du das Gefühl hast, über diese reine Faktenvermittlung erreicht man solche Menschen eigentlich nicht? 

Nicola Kuhrt Also ich versuche immer, mich dann da auch von meiner Journalist:innen Treppe erst mal so auf, auf Leserebene zu begeben. Und das funktioniert zum Beispiel bei Instagram total gut, weil auch das Beispiel was ich eben hatte, mit morenutrition, wo die Marie wirklich mit den Leuten dann auch einfach auf Instagram dann spricht und die auch fragt 'Wie geht es euch denn? Und erzählt mal, was war da los?' Also dann ist es irgendwie es ist jetzt kein Freund:innenaustausch, also wir haben da ja trotzdem dann auch die, die Informationen, die wir einstreuen. Aber ich glaube die Mischung ist anders, weil man erst mal noch diese Phase hat, dass man erst mal guckt, was sind das überhaupt für Leute, die diese Info brauchen und was ist die Situation dieser Menschen? Also wo gehe ich da rein mit dem, was ich da mache? Und natürlich kann man auch einfach mal so Serviceangebote machen, wo man dann Informationen bereitstellt. Aber da muss man sich da nicht wundern, dass die irgendwie gar nicht genutzt werden. Also das sind natürlich dann auch Dinge, die dann auch, weiß ich nicht, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung betreffen, die sicherlich da auch anders vorgehen muss. Und man muss, glaube ich einfach so die Kommunikation da immer neu denken. 

Pia Mhm. Vielleicht ein bisschen individualisierter einfach die Leute abholen. 

Nicola Kuhrt Ja und eben nicht so von oben herab. Also das ist glaube ich das größte Problem. Dieses von oben herab. Und auch wenn man mal guckt, es ist generell in den Redaktionen, auch in den großen, die sind halt auch überhaupt nicht divers. Also du hast da meistens doch auch eher Männer und das sind auch ungefähr die gleiche Schicht und der gleiche Berufsweg, ist gar nicht bös gemeint. Es ist halt aber einfach so und gewisse Probleme und Hintergedanken bei, wenn da irgendwie so und so steht, da kommst du ja gar nicht drauf und deswegen, also da muss man, glaube ich, auch als Gesellschaft, das muss sich dann irgendwie auch irgendwann im Journalismus noch ein bisschen mehr abbilden. 

Pia Ja, und ich fands auch voll gut, was du gesagt hast, so ein bisschen von dem eigenen hohen Ross oder der eigenen Stufe runter zu treten. Weil ich habe auch das Gefühl, diese ganzen Debatten sind ja schnell aufgeheizt, also auch schnell sehr in den Fronten verhärtet, sodass überhaupt kein aufeinander zugehen oder in der gleichen Ebene sich treffen irgendwann möglich ist. 

Nicola Kuhrt Also es gibt Leute, wenn man dann aber auf diese Demos auch mal geht, wo man sich dann einfach wirklich fragt, 'Wie kann man so was glauben?' Das ist wirklich irre manchmal. Ich habe auf vieles keine Antwort. Also definitiv nicht. 

Pia Ist vielleicht auch psychologisch wirklich viel, was da reinspielt. Also das denke ich mir ja manchmal bei Erkrankungen, wo ich Patient:innen vor mir habe, wo ich auch denke 'Wow, das, das hat man jetzt über mehrere Monate als Symptom überhaupt nicht wahrgenommen. Das kann ja irgendwie dann nur ein psychologischer Mechanismus sein' so. Ja. 

Nicola Kuhrt Ja. 

Pia Abschließend würde ich dich gerne fragen, was so deine Zukunftsvision oder deine Utopie für die medizinische Informationswelt im Internet ist. 

Nicola Kuhrt Oh, ähm. 

Pia (Pia lacht) Eine leichte Frage zum Abschluss. (Nicola lacht)

Nicola Kuhrt Also es gibt ja diese Tendenz. Wenn du googelst, nach gewissen Begriffen, dass du dann da oben dann schon diese Fenster hast, wo dann sozusagen das beste Wissen steht. Also das evidenzbasierte. Und das ist, denke ich mir, im Kleinen das- und das sollte im Großen einfach noch viel mehr funktionieren, also dass man einfach die Dinge, die es schon gibt, auf mehr nutzt. Also wir arbeiten bei Medwatch jetzt auch an einer Art App, wo wir den Menschen dann helfen wollen, wenn sie einfach zum Beispiel in der Drogerie sind und dann irgendwelche Nahrungsergänzungsmittel sehen Und da steht ja auch das Dollste drauf. Und mit dieser App sollen die Leute dann checken können, ob das stimmt, ob es vielleicht ein nicht-erlaubtes Heilsversprechen ist, sie sollen unsere Geschichten dazu finden und dann einfach sozusagen vor Ort sich direkt informieren können. Und ich glaube eben die Dinge der Entwicklung, auch jetzt mit KI und was man da alles dann wahrscheinlich auch noch, was einem dann sozusagen entgegenkommt. Und was, ich sage mal jetzt diese unseriösen Menschen sich dann ausdenken, die sind ja auch nicht doof. Und dass man halt da das mitnimmt und dass man auch wachsam bleibt und auch bereit, die evidenzbasierte Medizin da immer hochzuhalten und das ja, ich glaube das, was anderes kann man nicht machen. Und das machen wir bei Medwatch auch. Und wir müssen einfach gucken, wie wir uns dann für 2024 jetzt aufstellen, was wir da alles so an Plänen haben, weil wir einfach merken, dass sich jetzt gerade auch viel verändert, auch noch gerade mit mit KI und ChatGPT. 

Pia Ja, ja, total spannend. Wahrscheinlich könnten wir in einem Jahr noch mal sprechen und - 

Nicola Kuhrt Bitte sehr gerne. (beide lachen) 

Pia Ja, vielen Dank für deine Zeit und deine Einblicke. Ich fand's super spannend und wie gesagt, würde eigentlich voll gerne noch mehr Insides bekommen, was ihr alles so noch auf dem Schirm habt oder gerade schon wieder plant. Vielen Dank für das Gespräch. 

Nicola Kuhrt Ich danke dir. 

Pia Das war Heilewelt. Der Podcast über positive Zukunftsvisionen in der Medizin. Vielen Dank euch fürs Zuhören. Wenn wir euch ein bisschen inspirieren konnten, freuen wir uns über eure finanzielle Unterstützung auf unserer Website oder auch eine Bewertung auf euren Podcast Plattformen. Abonniert gerne unseren Newsletter oder folgt uns auf Instagram, wenn ihr keine neue Folge mehr verpassen wollt. In diesem Sinne bleibt gesund, neugierig und optimistisch, bis ganz bald. 

Outro Musik wird lauter und verstummt schließlich