Mehr Co2 durchs Gesundheitswesen als durch den Flugverkehr?!
Matthias Albrecht über klimaresiliente Krankenhäuser
Der Klimawandel hat längst nicht nur Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf unser Gesundheitssystem. Wie können Krankenhäuser klimaresilient werden und welche Rolle spielt das im Gesundheitssektor? Im Podcast “Heile Welt” spricht Pia Schüler mit Dr. Matthias Albrecht darüber, wie Krankenhäuser klimafreundlich und energiesparend gestaltet werden können und was das für unser aller Gesundheit bedeutet - denn Klimaschutz ist Gesundheitsschutz.
Pia: Hi, willkommen zu einer neuen Folge von Heilewelt, dem Podcast über positive Zukunftsvisionen in der Medizin. Ich bin Pia, Ärztin und spreche hier mit den Menschen, die die Medizin nicht nur verbessern möchten, sondern es bereits tun. In unseren Gesprächen tauchen wir in die Welt medizinischer Vorreiter:innen ein und hören, für welche Visionen sie brennen.
Stellt euch zum Beispiel vor, dass die Krankenhäuser in Deutschland klimaneutral gebaut sind, nur erneuerbare Energien verwenden und kaum Müll produzieren. Für mich als Ärztin, die in einem Krankenhaus arbeitet, klingt das wie eine komplette Utopie. Aber ich habe heute jemanden zu Gast, der selbst Arzt ist und an dieser Utopie ganz konkret arbeitet.
Dr. Matthias Albrecht ist ursprünglich Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, er war aber 15 Jahre lang Geschäftsführer vom Evangelischen Krankenhaus Hubertus in Berlin, was als erstes Krankenhaus bundesweit das Gütesiegel ‚Energiesparendes Krankenhaus‘ vom BUND erhalten hat und ist aktuell Geschäftsführer von KLUG, der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit. Und er arbeitet daran, in dem Kontext von KLUG ein Kompetenznetzwerk aufzubauen, was Krankenhäuser darin unterstützt, selbst klimaresilient zu werden. Ich fand es super spannend zu hören, was da wirklich alles dazugehört, wenn man Krankenhäuser so klimaresilient aufstellen will, von der Energieversorgung bis zur einzelnen Ibuprofen-Tablette und wie jede einzelne Person im Krankenhaus, ob Patientin oder Pfleger, einen Einfluss haben kann, damit dieses Umdenken angestoßen wird.
Und gleichzeitig ist mir in der Folge auch klar geworden, wie ganzheitlich wir das Thema Klimawandel sehen sollten, nicht nur als etwas, was wir für den Fußabdruck mitdenken müssen, sondern auch für unsere einzelne Gesundheit ganz konkret. Ich bin wieder mal optimistisch aus dem Gespräch rausgegangen und hoffe, das geht euch genauso, wenn ihr die Folge gehört habt.
Hi Matthias, voll schön, dass du da bist.
Matthias: Ich freue mich sehr.
Pia: Wie geht's dir? Alles gut?
Matthias: Hallo. Ja, mir geht's gut. Danke für die Einladung.
Pia: Genau. Das hat mega schnell geklappt mit der Folge, deswegen freue ich mich total und bin super gespannt, was du uns heute erzählst.
Ich habe in meinem Intro ja jetzt direkt schon den Begriff Klimaresilienz gedroppt. Den müssen wir aber erstmal erklären. Kannst du uns einmal sagen, was heißt das? Ist das das gleiche wie klimaneutral? Dass wir einmal mit den Basics starten.
Welche Folgen hat der Klimawandel für die Gesundheit?
Matthias: Ja, Resilienz ist tatsächlich der Begriff, den wir am liebsten nutzen, weil er umfassender ist als die anderen Begriffe, die da so rumfliegen. Also CO2-Neutralität oder Klimafreundlichkeit beschreibt es eigentlich nicht, sondern Klimaresilienz ist die Anpassung an die Klimaveränderungen und der Umgang damit. Wie kriegen wir das Gesundheitswesen widerstandsfähig? Der Begriff Resilienz kommt ja von Widerstandsfähigkeit. Wie schaffen wir es, das System widerstandsfähig gegen die Veränderungen zu machen, die wir jetzt schon sehen und die da auch noch kommen werden?
Pia: Eine Sache die ja glaube ich den meisten und auch mir in der Vorbereitung relativ klar war, war irgendwie so okay, wie können wir letztendlich die Emissionen oder den Energieverbrauch reduzieren den Krankenhäuser aktuell haben. Die Anpassung die du jetzt gerade angesprochen hast, die war mir auf den ersten Blick gar nicht so klar - kannst du uns das nochmal genauer erklären, was es bedeutet, dass ein Krankenhaus oder die Medizin als solches sich anpassen muss, an veränderte Umweltbedingungen?
Matthias: Ja, da machst du natürlich gleich ein ganz großes Feld auf. Wir sind ja nicht nur Mitverursacher der Klimakrise, sondern eben auch Betroffene auf vielen Ebenen. Das beginnt bei den Arbeitsbedingungen. Wenn es heiß ist, ist es natürlich auch im Krankenhaus heiß. Die wenigsten Innen- und Funktionsräume sind ordentlich klimatisiert. Im OP und auf Intensivstationen geht es meistens, aber in vielen anderen Räumen wird es einfach heiß. Und da sind Arbeitsbedingungen zum Beispiel schlecht. Daran muss man sich anpassen. Das heißt baulich und klimatechnisch, Anpassung an wärmere Temperaturen, die wir früher nicht kannten. Und dann aber natürlich auch Anpassung der Medizin an Erkrankungen, an Auswirkungen der Klimakrise, die eine ganze Reihe von neuen Erkrankungen hervorruft. Das eine zum Beispiel hitzebedingte Erkrankungen. Klar, kennt jeder Mediziner einen Hitzeschlag, wenn es richtig heiß ist, wenn ich draußen gearbeitet habe. Aber eben auch eine Verschlimmerung von Erkrankungen, die vorbestehend sind durch Hitze, was dann vor allen Dingen alte und vorerkrankte Menschen trifft. Aber auch Schwangere und Neugeborene, alle leiden unter der Hitze und das erzeugt Erkrankungen, die wir in früheren Jahren nicht so gesehen haben. Dann andere Erkrankungen, die einfach eingewandert sind mit der Hitze, also Vektorübertragende Erkrankungen, Westnilfieber, Malaria, Cholera, Vibrionen, die vielleicht irgendwann in der Ostsee auftauchen oder auch schon mal da waren jetzt, die einfach durch die Klimaveränderungen begünstigt werden.
Und pulmonale Erkrankungen, Allergien, Staubbelastungen, Pollenbelastungen, die durch die früheren und längeren Blühphasen natürlich dann auch verstärkt werden.
Also ein ganzes Spektrum an medizinischen Herausforderungen und deswegen auch Anpassungen an den Klimawandel.
Pia: Ja, ich hatte das gelesen und mir war das wirklich auch vorher gar nicht so klar. Ich hatte zum Beispiel mal geguckt, es gibt ja so unterschiedliche Fachgesellschaften, also von den einzelnen Fachbereichen in der Medizin, die dann sich auch dazu positionieren und zum Beispiel so Positionspapiere schreiben, indem sie auch eben für Klimaresilienz häufig plädieren. Und dass wirklich, dass in Studien nachgewiesen ist, dass zum Beispiel eine höhere Rate an Frühgeburtlichkeit gibt durch Hitze. Ich arbeite ja in Gynäkologie und Geburtshilfe, das war mir persönlich wirklich gar nicht so klar.
Und klar, dass es im Sommer sehr heiß ist im Krankenhaus, das merkt man auf jeden Fall. Aber dass das wirklich Studien auf verschiedensten Gebieten nachweisen, dass das so einen krassen Einfluss hat, war mir wirklich auch gar nicht vorher klar.
Matthias: Also klar, in den letzten Jahren war immer schon mal wieder von erhöhter Sterblichkeit die Rede in Hitzephasen, das ist inzwischen auch nachgewiesen.
Die Dunkelziffer ist da wahrscheinlich sogar noch relativ groß, aber man muss ja nicht gleich sterben, sondern viele Belastungen kommen einfach durch die Hitzephasen und das ist jetzt nicht, weil es mal einen Tag über 30 Grad ist, sondern das ist vor allen Dingen, wenn es sehr schnell sehr warm wird und dann in den Nächten nicht abkühlt, also die berühmten tropischen Nächte, die dann wenig Erleichterung verschaffen und das ist dann der Moment, wo viele vorbestehende Erkrankungen dann schlimmer werden oder auch Medikamentenwirkungen sich verändern und so weiter.
Pia: Und wie könnte sich die Medizin da anpassen?
Matthias: Ich glaube, erstmal muss man sich dessen bewusst sein, so wie du schon gesagt hast, vielen ist es nach wie vor gar nicht klar, was in ihrem Fachgebiet so eine Hitzewelle dann bedeutet an möglichen Ausnahmezuständen oder Aggravierung von bestimmten Erkrankungen und das kommt jetzt langsam in Gang über die Fachgesellschaften, über die Konferenzen, wo das auch ein Thema ist, wo Fachleute sich Gedanken machen, was heißt denn das jetzt für Medikationen, für Therapien, funktioniert das alles so, kann ich das so machen, wie wir es gewohnt waren oder muss ich vielleicht Leitlinien oder andere Hilfsmittel anpassen, um mich darauf vorzubereiten und das sehen wir erfreulicherweise jetzt bei vielen Fachgesellschaften, die das Thema einfach jetzt auf der Tagesordnung haben und dann quasi so eine Art Risikoanalyse für ihr Fachgebiet machen.
Wie viel Energie braucht ein Krankenhaus?
Matthias Albrecht über klimabewusstes Krankenhausmanagement
Pia: Ja, super spannend. Die andere Sache, die mich natürlich auch sehr interessiert, weil du ja auch unter anderem lange Geschäftsführer warst in einem Krankenhaus, was letztendlich sich klimaresilient, glaube ich, ausgerichtet hat und auch mal „Energiesparendes Krankenhaus“ als Gütesiegel verliehen bekommen hatte vom BUND, ist eben, wie richtet man überhaupt ein Krankenhaus demnach aus? Also wie schaffen wir das, ein Krankenhaus da hinzubringen? Wenn ich mir jetzt anschaue, wie das bei mir in der Klinik läuft, habe ich das Gefühl, sei es Müllproduktion oder, wie du gesagt hast, Klimaanlagen, da sind super viele Dinge - Energiesparen habe ich noch nie gehört, dass das irgendwie mich interessiert hat bei uns. Ja, also wo man halt klar sagen muss, die Priorität ist da wirklich gerade eine ganz andere. Wie läuft das und vor allem, auf was müssten wir vor allem achten im Krankenhaus?
Matthias: Genau, es gibt viele Belastungen, die durch Hitze entstehen, vor allem, wenn es schnell sehr warm wird und in den Nächten nicht abkühlt. Tropische Nächte führen dazu, dass vorbestehende Erkrankungen schlimmer werden oder Medikamentenwirkungen sich verändern. Fachgesellschaften beginnen jetzt, sich darüber Gedanken zu machen und Leitlinien zu überarbeiten, um sich auf solche Situationen vorzubereiten.
Pia: Die andere Sache, die mich interessiert, ist, wie man ein Krankenhaus klimaresilient ausrichtet. Du warst ja lange Geschäftsführer eines Krankenhauses, das klimaresilient ausgerichtet war und das Gütesiegel "Energiesparendes Krankenhaus" erhalten hat. Wie richtet man ein Krankenhaus danach aus? Wenn ich mir meine Klinik anschaue, habe ich das Gefühl, dass Müllproduktion oder Klimaanlagen gar keine Rolle spielen. Energiesparen war noch nie ein Thema bei uns.
Matthias: Ja gut, ein Krankenhaus ist ein großer Energieverbraucher und ein großer Materialverbraucher. Es gehen sehr viele Ressourcen in das Krankenhaus rein, sei es jetzt in Form von Wärme oder Strom als Primärenergie. Das bezeichnen wir mal so mit Scope 1. Und dann gibt es Scope 2, ist das, was ich dazukaufe, so an Elektrizität beispielsweise und dann kommt der Riesenbereich Scope 3 - also die gesamte Lieferkette, also die ganzen Medizinprodukte, die Verbrauchsmaterialien bis runter zum Klopapier für die Patienten, die Ernährung sowohl der Patienten als auch der Mitarbeitenden in den Cafeterien, die Mobilität und ganz Riesenblock, die Medikamente und die Pharmazie, Labor, Chemikalien und so, die man halt so im Krankenhaus braucht und das addiert sich halt zusammen zu einem großen Block. Die Zahl wird ja immer wieder genannt, in Deutschland sind es über 6% vom deutschen CO2-Fußabdruck, also ist die Gesundheit ein größerer Bereich als beispielsweise die Luftfahrt.
Pia: Ja, das muss man sich echt auf der Zunge zergehen lassen.
Matthias: Ja, na gut, ist ja auch ein Riesenbereich, da arbeiten viele Leute und wahnsinnig viele Patienten werden versorgt, insofern ist es auch verständlich und wir haben ja auch eine vergleichsweise gute Versorgung und von daher ist der Ressourcenverbrauch groß. Naja gut, und dann hat man diesen Riesenberg, den muss man dann halt, also das muss man sich erstmal bewusst machen, muss dann idealerweise mal eine Analyse bei sich im Haus machen, wo sind denn meine großen Verbräuche, wo sind meine großen Ressourceneinsätze, das ist ja auch völlig unterschiedlich in einzelnen Kliniken, einzelnen Fachbereichen und dann muss man das in kleine Teile auseinandernehmen und sagen, wo kann ich denn optimieren, wo kann ich einsparen, wo kann ich Sachen verändern, weil sonst steht man nur vor dem Berg und weiß nicht, wo man anfangen soll. Und ja, jetzt ist wahrscheinlich dann die nächste Frage, womit fange ich denn an (Pia: Ja so ungefähr (lacht)) und die einfachsten Sachen sind natürlich Dinge im Maschinenraum, in dem ich einfach gucke, welchen Strom kaufe ich ein, kann ich Ökostrom einkaufen, gibt es Bereiche, die nicht gut gesteuert sind, wo wir zum Beispiel in der Gebäudeleittechnik optimieren können und damit dann auch Geld einsparen. Das sind die, wie wir immer so schön sagen, niedrig hängenden Früchte, wo auch die Geschäftsführung in aller Regel nicht groß überzeugt werden muss, weil das relativ schnell refinanziert. Also Beispiel, ich tausche alte Pumpen gegen neue Hocheffizienzpumpen aus, das ist eine Investition, die sich über den reduzierten Energieverbrauch bei den hohen Energiepreisen jetzt sehr schnell rechnet und insofern wird das vielfach auch gemacht. Ich gucke mir die Steuerung an, sorge dafür, dass die OP-Belüftung, die Kühlung nachts, wenn der OP nicht läuft, tatsächlich runtergefahren wird auf das Minimum, was die Anlage erlaubt. In vielen Häusern ist das bis vor wenigen Jahren 24-7 durchgelaufen, einfach weil man immer gedacht hat, naja, kann ja sein, dass ein Notfall kommt, dann lass uns mal lieber laufen. Inzwischen gibt es deutlich intelligentere Steuerungen, dass man da tatsächlich die ganzen Verbrauchssachen wie Lüftung, Kühlung, Heizung tatsächlich an die tatsächlichen Arbeitszeiten, Schichtzeiten, OP-Zeiten anpasst und damit Geld spart. Das ist mehr Energieverbrauch, hat natürlich auch mit Investitionen zu tun, aber vieles kann man auch vergleichsweise günstig und durch Regelung und Steuerung optimieren und dafür braucht man eine fitte technische Abteilung. Und das passiert in aller Regel auch in vielen Häusern schon, ohne dass das Personal auf der Station das wirklich mitkriegt.
Pia: Ja, ich würde auch denken, das ist das, wie du gesagt hast, vielleicht in die niedrigeren Früchte, also irgendwas, was relativ schnell einleuchtet. Diesen Scope 3, den du erwähnt hast, was alles angeliefert wird oder woher ich das Essen beziehe, das stelle ich mir ja deutlich schwieriger vor, da irgendwie ein Umdenken hinzukriegen beziehungsweise überhaupt erst anzustoßen.
Medizinprodukte und Lieferketten
Matthias: Genau, also das sind deutlich dickere Bretter, die man da bohren muss und Medizinprodukte zum Beispiel und Medikamente als große Bereiche sind vielfach einfach auch eine Blackbox, wo wir gar nicht wissen, wie hoch ist jetzt der Fußabdruck von einem Medikament beispielsweise - was wir wissen ist, dass es auch bei gleichen Wirkstoffen, also zum Beispiel bei Ibuprofen durchaus deutliche Unterschiede bis zu 40 Prozent CO2-Fußabdruck Unterschied bei gleichen Wirkstoff unterschiedlicher Firmen gibt, einfach weil die Herstellungsbedingungen unterschiedlich sind. Die eine Pharmafirma macht das mit Ökostrom, die andere macht das mit Kohlestrom. Und da wir das aber gar nicht wissen in aller Regel, können wir dann auch keine Entscheidung treffen.
Da müssen also tatsächlich noch Daten herangeschafft werden und auch Gesetze wahrscheinlich geändert werden, um das alles sichtbar zu machen. Bei anderen Sachen, Einkauf von medizinischen Großgeräten, da gucken jetzt schon einige tatsächlich auf den Energieverbrauch beim MRT, beim CT, um dann beim neuen Gerät bessere Verbrauchswerte zu haben als beim alten. Aber das machen auch nicht alle.
Und manchmal ist eben das energiesparende Produkt auch teurer als das, das kennt man ja auch von Haushaltsgeräten, im Privatleben. So ist es bei den Medizingeräten auch. Und da muss man natürlich entsprechende Regeln auch aufstellen, dass diese Sachen wie Nachhaltigkeit tatsächlich auch bei der Ausschreibung und bei der Vergabe dann berücksichtigt werden.
Pia: Gibt es da aktuell irgendeinen Anreiz für die Krankenhäuser, sich danach auszurichten?
Matthias: Bislang nicht. Es sei denn, ich kann wirklich Geld damit sparen. (Pia: Ja okay (lacht)) Aber es gibt jetzt keinen gesetzlichen Anreiz oder Krankenhausplanung, oder dass ich dann mehr Geld von den Krankenkassen kriege oder so, wenn ich mich nachhaltig ausrichte. Das gibt es nicht. Das ist auch ein bisschen schade tatsächlich.
Pia: Okay. Und wie läuft das dann aktuell gerade ab? Beruht es so ein bisschen darauf, dass man zum Beispiel, wie vielleicht bei dir im Krankenhaus, einen Geschäftsführer hat, der gesagt hat, „Okay, mir ist das wichtig und ich würde es gerne anders machen und auf diese Punkte gucken“? Oder wie könnten wir das ein bisschen mehr in die Richtung bringen, dass das für Krankenhäuser mitgedacht wird?
Matthias: Ja, also in den letzten 20 Jahren war es tatsächlich so, dass die, die was gemacht haben, da war das intrinsisch motiviert. Weil es gab nicht wirklich Anreize, außer dass man sich besser fühlt und vielleicht Geld gespart hat. Inzwischen ist das Thema bei vielen tatsächlich angekommen. Das heißt, auch im Privatleben, und man sieht ja die Auswirkungen des Klimawandels mittlerweile nun auch wirklich in Deutschland. Und das führt schon dazu, dass sich auch Mitarbeitende in den Einrichtungen Gedanken machen. Und je mehr Leute sich Gedanken machen und auch Fragen stellen, was machen wir eigentlich? Was unternehmen wir eigentlich? Was machen wir in unserer Abteilung? Was machen wir auf unserer Station? Desto leichter fällt es natürlich auch den Entscheidungsträgern, sich auf den Weg zu machen. Denn ein grünes Krankenhaus erzeugt eine Geschäftsführung oder eine ärztliche Leitung nicht alleine von top down, sondern da brauche ich ganz viele Mitarbeitende im Unternehmen, die mitziehen und die Ideen einbringen. Und die mich als Geschäftsführer vielleicht auch ein bisschen schubsen und in die richtige Richtung bewegen, indem sie einfach Fragen stellen. Und im Zusammenspiel funktioniert das ganz gut. Sodass dann wirklich größere Einrichtungen auch tatsächlich ganz gut in Gang kommen.
Pia: Ja, ich will da auf jeden Fall auch gleich noch ein bisschen mehr zu hören, weil ihr ja mit KliMeG auch so ein bisschen dabei seid, Krankenhäuser auf dem Weg dahin zu beraten. Wenn du aber jetzt angesprochen hast, es muss eben auch so von den Mitarbeitenden quasi von unten, bottom up kommen. Was wären denn noch so Dinge, wo du sagen würdest, weil die anderen Dinge hatte ich jetzt so das Gefühl, das waren eben auch vielleicht eher Sachen, wie dass ja wirklich die Geschäftsführung sich überlegt, wie kann man welche Sachen einkaufen und so. Aber es sind ja wirklich auch so Sachen wie irgendwie Mülltrennung, Müllproduktion oder so, wo ich das Gefühl habe, das wären auch die ersten Sachen, die jetzt mir einfallen würden, wo ich denke, wow, das läuft halt wirklich im Krankenhaus, als wäre es einem komplett egal, zum Beispiel, was man an Müll produziert. Wo ich mir vorstellen könnte, dass eben mehr Leute da in Berührung kommen und da irgendwie vielleicht dann auch merken, könnten wir nicht sowas auch anders machen, also so Anreize schaffen.
Hast du da so ein paar Beispiele oder Dinge, wo du sagst, das läuft schon ganz anders oder das könnten wir uns ganz anders vorstellen?
Matthias: Ja, Müll ist ein Thema, was ganz viele Mitarbeitende nervt und stört, weil die immer das Gefühl haben, Mensch, zu Hause trenne ich akribisch meinen Müll und hier geht im OP alles in einen Sack. Das ist eines von den dickeren Brettern tatsächlich, weil natürlich aus Hygieneanforderungen und die ganzen Umverpackungen, wir da auch sehr viel einfach an Verpackungsmüll haben und es ist nicht so einfach, das zu reduzieren und oft im Gefecht des Alltages, in einem vollen Herzkatheter-Programm dann die Ressourcen zu trennen. Das ist eine Platz- und eine logistische Herausforderung. Nichtsdestotrotz kann und sollte man es angehen und viele machen das auch schon. Der CO2-Fußabdruck ist lustigerweise bei dem ganzen Müll gar nicht so hoch, weil in der Regel ja das allermeiste davon hinterher verbrannt wird und quasi thermisch wiederverwertet wird und dann zu Fernwärme oder anderen Sachen wird, sodass es noch eine sekundäre Nutzung quasi gibt. Viel besser ist aber natürlich, den Müll gar nicht erst entstehen zu lassen und darauf zu achten, dass Verpackungen anders laufen und so weiter.
Das geht dann in aller Regel nur über den Einkauf, indem das bei den Ausschreibungen gleich mit berücksichtigt wird. Aber es gibt zum Beispiel andere Beispiele, die einfach umzusetzen sind und was auch gute Beispiele sind, wo Mitarbeitende tätig werden können. Bei mir im Krankenhaus war es zum Beispiel, wir hatten eine Klima-Managerin oder haben auch eine Klima-Managerin noch, die dann zum Beispiel gesagt hat, warum haben wir keine Bewegungsmelder in den Umkleiden? Die Umkleiden werden hauptsächlich zum Schichtwechsel genutzt. Ganz oft brennt dann trotzdem die ganze Nacht das Licht und dann wurden Bewegungsmelder installiert in diesen innenliegenden Umkleideräumen und der Stromverbrauch ist deutlich gesunken dadurch. Ganz einfache Maßnahme, einfach weil jemand hingeguckt hat. Eine andere Maßnahme war Auffangen von Regenwasser in einem großen Tank, einem ehemaligen Heizöltank, um das Wasser dann zu benutzen, um zum Beispiel Fäkalien spülen, um den Park zu bewässern und dadurch über eine Million Liter Frischwasser pro Jahr zu sparen und quasi Grauwasser, Regenwasser wieder zu verwenden.
Das sind alles so Dinge, das waren Ideen von Mitarbeitenden, die einfach gesagt haben, lass uns das doch mal angucken und das haben wir dann umgesetzt und waren hinterher dann auch sehr zufrieden. Und so gibt es ganz viele Bereiche im Krankenhaus, wo man sagt, Mehrweg statt Einweg, Trinkwasser für Patienten in Wasserspendern und so weiter. Muss man immer alles mit der Hygiene abklären, das ist auch von Bundesland zu Bundesland verschieden, aber das sind Sachen, die kommen meistens von den Mitarbeitenden, weil einfach jemand in seinem Alltag tatsächlich die Augen aufmacht und Fragen stellt, warum machen wir das eigentlich so, warum machen wir das nicht so, wie ich es zu Hause machen würde.
Pia: Ja, das ist vielleicht nochmal ein ganz guter Einwand. Dieses, was du gesagt hast mit Hygienestandards, das ist ja auch so ein Ding, was man immer liest, dass alles immer in Konflikt steht mit den großen Hygiene- und Qualitätsstandards. Kannst du dazu was sagen?
Matthias: Ja, da ist die Erfahrung, dass das oft auch Mythen sind, die man durch Hinterfragen auch entzaubern kann. Also dieses Argument, „Wir würden ja gerne, aber die Hygiene erlaubt das nicht“, das ist vielfach nicht wahr. Wenn man dann mit der Hygiene spricht, sagen die in ganz vielen Fällen, „ja na klar, könnt ihr das anders machen, wir müssten nur auf das und das achten“ und dann ist das Problem aus der Welt geschafft. Beispiel Nutzung von unsterilen Einmalhandschuhen. Ein riesen Einkaufsfaktor und damit auch ein riesen Müllfaktor und einzelne Träger in England, aber auch inzwischen in Deutschland haben sich auf den Weg gemacht und genau definiert, wann werden Einmalhandschuhe getragen. Also wenn ich mit ekligen Sachen in Berührung komme, wenn ich mich selber sozusagen vor Schmutz schützen möchte, aber auch zu sagen, wann ziehen wir keine Handschuhe an und machen das mit ganz normaler Händedesinfektion ohne Plastik. Da wird die Hygiene besser, weil ich die Keime nicht von Patient zu Patient oder von Zimmer zu Zimmer trage, indem ich die gleichen Handschuhe anhabe und es spart Ressourcen und Geld.
Und das ist ein Beispiel, wo die Hygiene sagt, „Ne, auf gar keinen Fall, es wird vielleicht sogar besser, wenn ihr keine Handschuhe tragt und stattdessen die Hände ordentlich desinfiziert“. Und das sind dann aber so Gewohnheiten, auch Schutzempfinden von Mitarbeitenden und man muss sich dem Thema einfach widmen.
Pia: Ja, ich finde, das ist irgendwie auch nochmal eine große Sache, weil natürlich gibt es ein gewisses Bewusstsein, was auch, glaube ich, zunimmt in der Gesellschaft allgemein dafür.
Aber es ist ja auch so, dass es cool wäre, wirklich alle Leute zu erreichen, dieses Bewusstsein sonst noch stärker zu bekommen oder sich dessen einfach klarer zu werden, wie man das im Alltag oder in seinem Berufsalltag auch anders anwenden könnte. Gibt es da irgendwelche Strategien oder Projekte, mehr medizinisches Personal zu erreichen und sich einfach klarer über viele Dinge zu werden? Also, ich hätte jetzt vielleicht persönlich gesagt, hätte jetzt, wenn ich mich nicht selbst darüber informiert hätte, wäre ich dem jetzt nicht über den Weg gelaufen in dem Sinne.
Klimaschutz im Arbeitsalltag
Matthias: Ja, klar. Also, das eine ist erstmal die Information. Das versuchen wir ja zum Beispiel bei KliMeG, unserem Kompetenzzentrum, auch über die Homepage, indem wir zu verschiedenen Themen oder zu verschiedenen Handlungsfeldern einfach Informationen zur Verfügung stellen, Best-Practice-Beispiele aus Krankenhäusern auch zeigen, berichten. Und diese Informationen können natürlich genommen werden von Nachhaltigkeitsmanagern oder anderen Beauftragten in den Einrichtungen, um dazu Fortbildungen im Haus zu machen, so wie es ja auch Brandschutzschulungen oder medizinische Fortbildungen gibt, sollte es eben auch Nachhaltigkeitsfortbildungen geben.
Viele Häuser fangen auch an, eine Aufbaustruktur zu entwickeln, wo also zum Beispiel eine Stabsstelle Nachhaltigkeit oder Klimamanagement oder wie immer sie genannt wird, etabliert wird und die dann oft so Green-Teams oder Nachhaltigkeitsteams versuchen, in den Häusern zusammenzustellen, einfach durch berufsgruppenübergreifende, qualifikationsübergreifende Arbeitsgruppen, die sich dann halt austauschen und sagen, was können wir machen, womit fangen wir an. Und die tragen dann die Informationen quasi als Multiplikatoren natürlich auch in die verschiedenen Bereiche. Und dann ist es vielleicht am Beispiel Hitze, dass man entsprechende Fortbildungen macht im Frühjahr, was müssen wir jetzt vorbereiten, damit wir auf die erste Hitzewelle des Sommers gut vorbereitet sind.
Dann im Sommer zu gucken, okay, was müssen wir jetzt akut machen und dann, wenn die Hitze vorbei ist, zu sagen, okay, welche baulichen Maßnahmen, welche Fortbildungsmaßnahmen müssen wir jetzt im Winter machen, damit wir uns aufs nächste Jahr vorbereiten. Das heißt also, Green-Teams, also eine personelle Infrastruktur zu schaffen, so wie wir es auch für Hygiene, für Qualitätsmanagement oder andere Dinge haben, hilft auf jeden Fall. Dann muss nicht mehr jeder selber diese Informationen zusammensuchen, sondern es gibt halt organisierte Fortbildungen.
KliMeG
Pia: Vielleicht, weil ich würde da jetzt ganz gerne noch mal so ein bisschen über KliMeG sprechen, wie ihr an Kliniken zum Beispiel herankommt, was ihr noch so vorhabt. Kannst du einmal kurz erklären, was KliMeG ist oder was eure Ziele sind, woher das entstanden ist?
Matthias: Ja, KliMeG ist die schöne Abkürzung für den Begriff Kompetenzzentrum für klimaresiliente Medizin und Gesundheitseinrichtungen. Ein etwas sperriger Name, aber da steckt alles drin, was wir so erreichen wollen. Die Idee bei KLUG war, dass es eine Unterorganisation geben muss, die eben Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und andere Gesundheitseinrichtungen tatsächlich berät, die sich auf den Weg machen wollen. Und wir haben das Glück gehabt, dass die Stiftung Mercator uns initial Geld gegeben hat, um das voranzutreiben. Wir haben jetzt innerhalb eines Jahres bald 200 Krankenhäuser als Mitglieder, die einfach eine Beitrittserklärung unterschreiben müssen und sagen, sie wollen sich auf den Weg machen.
Dann sind die Mitglieder, das kostet auch nichts, haben dann Zugang zu Informationen, können sich austauschen. Wir machen regelmäßig Workshops online zu den verschiedenen Handlungsfeldern. Und die Einrichtungen können uns dann auch anfragen zu tatsächlichen Beratungseinsätzen, wo wir dann in die Einrichtungen gehen, entweder Fortbildungen machen oder tatsächlich zu einzelnen Themen auch tiefer einsteigen.
Das sind dann Angebote, die kosten auch was extra, weil wir das ja auch irgendwie als NGO refinanzieren müssen, wenn wir da mit den Experten hingehen. Aber das lässt sich gut an und es sind viele große Unikliniker dabei, aber auch kleine und Ketten. Und ich glaube, viele saugen da Nektar draus und kriegen Anregungen, was machen andere in meiner Position. Und vielleicht versuchen wir das jetzt auch mal.
Eine große Sache ist eine große Konferenz, die wir dieses Jahr machen, die CleanMED in Berlin, wo wir eben dann genau Themen aufbereiten, dann vor allen Dingen für die Klimamanager und Nachhaltigkeitsmanager:innen aus den Einrichtungen, um einfach Wissensvermittlung und Austausch in der Szene zu ermöglichen.
Sind Krankenhäuser nachhaltig?
Beipiele und Vorzeigeprojekte von KliMeG
Pia: Ich finde, das klingt mega sinnvoll, gerade eben zu sagen, hier haben wir ein Team, hier haben wir Informationen und es ist sehr niederschwellig, an euch ranzutreten.
Kannst du vielleicht nochmal positive Beispiele nennen, um, ich sage mal, das Licht am Ende des Tunnels ein bisschen aufzuzeigen, wo es Krankenhäuser gibt, die aktuell das schon richtig gut machen, die vielleicht schon so Vorzeigebeispiele sind? Du hast ja schon Beispiele auch gesagt, wie das konkret umgesetzt wurde, aber kannst du vielleicht da nochmal ein bisschen was zu sagen?
Matthias: Also es gibt viele, wie gesagt, wir haben fast 200 Mitglieder, insofern ist es fast ein bisschen unfair, Einzelne rauszugreifen, aber es gibt natürlich Einrichtungen, die sich schon vergleichsweise früh auf den Weg gemacht haben und sich auch Nachhaltigkeitsziele gesetzt haben. Ein kleines Hausbeispiel wäre zum Beispiel das Krankenhaus Havelhöhe in Berlin, die sehr starke Klimaziele formuliert haben und auch viel Einsatz zeigen, diese zu erreichen. Mein ehemaliges Krankenhaus, Evangelisches Krankenhaus Hubertus, gehört auch mit dazu.
Dann gibt es aber auch Uniklinika, wie zum Beispiel die Uniklinik Essen, die sehr viel im Bereich Ernährung beispielsweise gemacht haben und Primärenergieversorgung. Eine Uniklinik in Hamburg-Eppendorf, sehr vernünftige Struktur aufgesetzt und viele Bereiche angegangen, Universitätsklinikum Tübingen macht ein großes Klimaschutzkonzept mit einem Horizont bis 2040.
Also tatsächlich Einrichtungen, die dann auf vielen Bereichen unterwegs sind und gute Projekte machen. Und ich glaube, es gibt noch kein Haus, wo man sagen kann, die sind jetzt fertig, (beide lachen) alles zero und perfekt. Das wird so schnell auch nicht erreichbar sein. Aber es gibt immer, manche sind bei der Ernährung gut, manche sind bei der Energieversorgung gut, manche sind im Bereich der Digitalisierung gut, manche sind bei der Optimierung der Radiologie gut, manche sind bei der IT gut. Und immer mehr machen auch in Richtung, wie erreiche ich das Personal, Mobilitätskonzepte, was dann auch immer auch Mitarbeitendenzufriedenheit steigert. Also es gibt viele gute Beispiele und ich würde natürlich gerne noch mehr davon sehen.
Pia: Ja, voll. Gibt es denn ganz konkrete Ziele, die ihr euch als Klinik jetzt auch gesetzt habt? Also wo ihr sagt, das haben wir zum Beispiel, also du hast jetzt ein bisschen erzählt, so grob wie ihr aufgebaut seid oder was so dazu gehört, was ihr anbietet. Gibt es irgendwas, wo ihr gerade daran arbeitet, was du vielleicht irgendwie schon als Vision vor Augen hast, wo ihr sagt, das würden wir gerne. Also ich habe mir zum Beispiel in der Vorbereitung so ein bisschen überlegt, müsste es nicht irgendwie schon eben nochmal diesen Anreiz geben, also irgendeine Form von Gütesiegel oder irgendwas, wo man sagen würde, das regt die Krankenhäuser noch ein bisschen anders an das auch wirklich anzustreben.
Oder gibt es irgendwelche anderen Projekte, wo ihr sagt, das habt ihr noch vor Augen aktuell?
Matthias: Ja, im Moment versuchen wir vor allen Dingen Informationen zu verbreiten und niedrigschwellig Angebote zu machen für Einrichtungen, die loslegen wollen. Mit Zertifizierung und Gütesiegeln oder so werden wir tatsächlich relativ häufig gefragt. Das wird vielleicht irgendwann kommen. Ich bin kein ganz großer Freund davon, weil es oft so ein bisschen Etikettenschwindel ist. Man will dann gerne was an die Tür hängen und dann sind die Kriterien oft ein bisschen unscharf. Aber das wird kommen. In manchen Bereichen gibt es ja auch ganz gute Zertifikate, also Umweltmanagement nach EMAs oder Abfallmanagement. Da gibt es auch bestimmte Kriterien, wo man wirklich hart messen kann. Und das wird sicherlich auch kommen, auch im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichtspflicht, die wir jetzt auf EU-Ebene haben.
Ob wir das jetzt selber machen, da bin ich im Moment noch ein bisschen zurückhaltend. Auf jeden Fall werden wir es aber begleiten und Input geben. Wir sind auch immer dabei, Kriterien zu formulieren, woran man nachhaltige und resiliente Einrichtungen erkennt, um dann auch so eine gewisse Vergleichbarkeit herstellen zu können.
Aber das ist im Moment noch zu früh. Das ganze Feld ist noch zu jung. Im Moment wollen wir vor allem noch sensibilisieren und mobilisieren, bevor wir dann hinterher Punkte und Sternchen verteilen.
Pia: Kategorisieren, ja (beide lachen). Du hast ja auch selber erzählt, du bist jetzt seit einem Jahr Geschäftsführer von KLUG. Also es ist vielleicht auch noch gerade eher so die Anfangsphase.
Aber ich finde es trotzdem voll cool, dass da viele Leute so richtig dabei sind und das sehr professionell auch aufgebaut wird, was eine gewisse Langfristigkeit dann auch als Ziel vermuten lässt. Gibt es noch irgendwas, wo ihr sagt, da scheitert die Umsetzung eigentlich gerade dran? Oder das sind Steine, die ihr so gerne aus dem Weg hättet?
Matthias: Naja, wir verstehen uns ja auch quasi als Sprachrohr der Mitgliedseinrichtungen in Richtung Politik, Krankenhausplanung und Selbstverwaltung des Gesundheitswesens. Und da sind wir natürlich relativ schnell bei dem Thema Anreize, hatten wir am Anfang schon gesagt, dass es im Moment eigentlich wenig Anreize für die Einrichtungen gibt. Also die Frage, was habe ich davon? - Ja, ich fühle mich besser. Und ja, Mitarbeiterbindung, Mitarbeiterzufriedenheit spielt eine zunehmend große Rolle.
Aber jetzt innerhalb des Systems habe ich im Moment noch keine großen Vorteile. Das Thema Krankenhausreform, das ja jetzt durch die Politik angestoßen ist und im Gesetzgebungsverfahren durchlaufen ist, da steht nichts drin von Nachhaltigkeit und von Klimafreundlichkeit. Da geht es um ganz andere Kriterien. Und das ist schade. Da versuchen wir in der Umsetzung dann jetzt auf Landesebene, weil da haben die Länder ja auch viele Aufgaben in der Umsetzung der Krankenhausreform, dass wir da das Thema Nachhaltigkeit noch mit reinkriegen in der Umsetzung. Das ist aber natürlich gar nicht so einfach, weil viele Krankenhäuser im Moment finanziell extrem unter Druck stehen, die Landesregierungen auch unter Druck stehen, die Wirtschaftslage im Moment nicht so toll ist und dann noch der demografische Wandel dafür sorgt, dass es zu wenig Arbeitskräfte gibt.
Das ist jetzt ein schwieriges Umfeld, um noch ein neues Thema zu platzieren. Aber von Scheitern möchte ich da gar nicht sprechen, sondern an einigen Stellen gelingt es schon, Türen aufzustoßen. Und insofern bin ich optimistisch, dass es auch gelingen wird.
Und wenn man dann erst mal ein paar gute Beispiele hat, dann sind die Länder ja auch durchaus in der Lage, voneinander zu lernen. Und dann die Veränderungen vielleicht kommen dann noch durch die Hintertür mit rein, auch wenn sie von vornherein erst mal vergessen worden sind.
Pia: Ja, den Eindruck habe ich jetzt auch auf jeden Fall in der Folge, dass du schon so ein paar Sachen gesagt hast, wo ich denke, es geht ja wohl - machen bestimmte Dinge vor.
Und auch viele von den Sachen, die du jetzt angesprochen hast, klangen ja erst mal relativ machbar so. Wenn wir jetzt ein paar Leute erreicht haben, die irgendwie sagen, finde ich wichtig, wie könnte man anfangen oder wie könnte man euch unterstützen? Vielleicht gerade für Leute, die im Gesundheitswesen arbeiten, aber auch außerhalb davon. Also das, sollte man jetzt zu seinem Hausarzt oder seiner Hausärztin gehen und sagen, dass die doch bitte Ökostrom beziehen sollen oder wo fangen wir da quasi an?
Was können wir gegen den Klimawandel tun?
Tips um selbst aktiv zu werden
Matthias: Für all die, die selber im Gesundheitswesen tätig sind, hilft es natürlich, sich in der eigenen Einrichtung zu engagieren. Die, die noch nicht Mitglied bei KliMeG sind, können gerne Mitglied bei KliMeG werden, um dann auch für Masse insgesamt zu sorgen, damit wir auch noch besser Gehör finden in Politik und Selbstverwaltung. Und natürlich ist es so, dass auch die Industrie mit ihren vielfältigen Produkten natürlich darauf reagiert, wenn der Kunde bestimmte Sachen fragt. Und auch die Medizin reagiert, wenn Patienten fragen oder Bewohner fragen.
Und da kann ich nur zu ermutigen, dass man es dann auch tatsächlich tut. Und es gibt ja gute Ideen in Richtung einer Klimasprechstunde im ärztlichen Bereich zu machen.
Pia: Kannst du einmal sagen, was das ist?
Matthias: .. wo der Hausarzt dann Patienten auch berät über Klimafolgen, Klimaanpassung und was das mit der Gesundheit des Patienten zu tun hat, um die Leute zu sensibilisieren. Zum Beispiel zum Thema Hitze, aber auch im Zusammenhang mit Allergien und anderen Geschichten. Einfach auf den Klimawandel aufmerksam zu machen, um dann auch die Bevölkerung zu sensibilisieren und eine positive Verknüpfung herzustellen. Weil wenn ich mich klimagesund verhalte, nütze ich damit dem Klima. Aber es gibt viele Co-Benefits in Richtung der eigenen Gesundheit.
Und das ist, glaube ich, ganz wichtig, dass wir sehen, dass wir nicht das Klima schützen müssen, sondern wir müssen uns selbst schützen. Und unsere Gesundheit profitiert davon, wenn wir den Planeten retten. Und damit wird daraus eine positive Geschichte, damit wir von diesen Verbotsgeschichten wegkommen.
Das heißt, ich sehe dann eher die gesundheitlichen Vorteile einer klimafreundlichen Ernährung und habe nicht das Gefühl, mir wird jetzt mein Sonntagsschnitzel verboten (…) Damit irgendwo die Welt gerettet wird. Nein, ich tue was für meine Gesundheit. Und der Nebeneffekt ist, dass es klimafreundlich ist.
Pia: Vielleicht dazu nochmal, ich habe zum Beispiel gelesen, dass Hitze die Aggressivität fördert, also man mehr Aggressivität messen kann, gerade bei psychischen Erkrankungen oder es auch zu höheren Suizidzahlen führt. Also das wären ja wirklich gerade so Sachen, wo man denkt, ja, das ist schon relativ konkret, wie das Auswirkungen haben kann.
Matthias: Ja. Und die Arbeitsfähigkeit misst auch einfach nach. Ab einer bestimmten Temperatur sinkt die Fähigkeit, produktiv zu arbeiten, ganz deutlich. Da muss ich nicht mal krank werden, sondern ich bin einfach nicht leistungsfähig. Ich bin schlapp und schaffe mein Pensum nicht. Und deswegen auch da für Arbeitsbedingungen sorgen, die uns arbeitsfähig halten. Das ist ganz wichtig.
Pia: Klingt so, als würdest du auf jeden Fall dafür plädieren, wirklich auch im ganz Kleinen einfach mal nachzufragen, es anders anzustoßen, anders nachzudenken, Prozesse vielleicht nochmal zu hinterfragen, um sie zu verändern. Das finde ich irgendwie eine ganz positive oder optimistische Sicht auf die Dinge, wo man vielleicht ja sonst in der Politik irgendwie häufig das Gefühl hat, man hat gar nicht so eine Selbstwirksamkeit oder kann da nicht mehr so viel ausrichten, vielleicht gerade was das Klima angeht. Ja, einfach im eigenen Umfeld gucken, was passiert.
Matthias: Ja einfach im eigenen Umfeld gucken. Also auch Klimaresilienz im Sinne von physischem Umgang mit Extremwetterereignissen. Also was ist hier eigentlich in meinem Krankenhaus, wenn es doppelt so viel regnet wie sonst? Oder wenn wir ein Hochwasser haben. Also, dass man auch Risikoanalysen macht. Welche Räume werden besonders heiß? Wo sind kühle Räume? Wo kann ich gefährdete Patienten kühl unterbringen? Wie kann ich Therapiepläne anpassen, um die Leute nicht zu überfordern? Beispielsweise in der Geriatrie oder anders. Also es gibt in allen Bereichen kleine Dinge, die muss man, da brauche ich kein Gesetz für. Das ist eigentlich meine Fürsorgepflicht als Mitarbeitender im Gesundheitswesen.
Pia: Ja. Würdest du raten, immer direkt quasi die Geschäftsführung anzusprechen? Oder würdest du zum Beispiel eher in Krankenhäusern empfehlen, dass man sagt, ich gründe irgendeine Form von, weiß nicht, kleinem Klimarat oder so. Also irgendwie eine Gruppe, die sich damit auseinandersetzt, um dann bestimmte Dinge zu bündeln.
Oder wie würdest du sagen, klappt das in Krankenhäusern ganz gut? Was ist da eure Erfahrung?
Matthias: Ja, man wird es nie gegen die Leitung umsetzen können. Insofern würde ich relativ früh, zumindest in Form von Fragen oder guten Vorschlägen, mich hörbar und sichtbar machen. Und dann aber natürlich im Dialog gemeinsam gucken, wo setzen wir jetzt Prioritäten. Also immer so ein Wechsel aus bottom-up und top-down, wo man dann gemeinsam idealerweise den Weg findet.
Pia: Ja. Okay. Jetzt würde ich natürlich ganz gerne noch von dir wissen, ich glaube, du bist ja jemand, der sehr zukunftsorientiert ständig arbeitet. Aber wenn du jetzt wirklich sagen kannst, du darfst dir vorstellen, also deine Wunschvorstellung letztendlich, wie wäre es in, ich sage mal, zehn Jahren, was wäre so deine Zukunftsvision oder vielleicht auch ein bisschen deine Utopie in Bezug auf Klima- und Gesundheitseinrichtungen in Deutschland?
Wie sieht das Klima in 30 Jahren aus?
Matthias Albrechts Utopie
Matthias: Na, ich erhoffe mir tatsächlich, dass wir deutlich weitergekommen sind. Einmal im Sinne von, dass alle jetzt wissen, worum es geht und dass sie auch entsprechend handeln.
Dass wir auch alte Zöpfe abschneiden und uns auch Fragen stellen nach Überversorgung, nach Fehlversorgung und nicht immer in diese Muster verfallen, zu sagen, nee, das geht nicht, weil das haben wir schon immer so gemacht. Und da kommt langsam Bewegung rein. Das ist meine Vision, dass wir dann, wenn wir schon Strukturentscheidungen treffen und die meisten einig sind, dass wir das sowieso tun müssen auf Grund von Demografie und anderen Veränderungen, dass wir dann dieses Thema Umweltschutz, Biodiversität, Klimaschutz, Klimaresilienz immer mitführen in allen Bereichen, weil wir dann tatsächlich schneller und besser in Bewegung kommen als bisher.
Und dann werden wir sehen, dass Klimaschutz auch Gesundheitsschutz ist und dass wir positive Effekte davon haben und dass es nicht eine lästige Pflicht ist, die man jetzt auch noch on top erledigen muss, sondern dass es zum ganzheitlichen Wohlbefinden beiträgt. Denn irgendwann sind wir selber alt, pflegebedürftig und dann wollen wir eine Umwelt haben, in der es uns gut geht. Also mit quasi Bewusstsein und Information fängt es an.
Pia: Also mit quasi Bewusstsein und Information fängt es an, vielleicht konnten wir das ja jetzt in dieser Folge hier ein bisschen in den Weg pushen und genau in die Bahn leiten. Vielen Dank für das Gespräch und die ganzen Einblicke. Wir würden euch auf jeden Fall auch auf die Webseite noch verschiedene Informationen packen, dass ihr da mal ein bisschen gucken könnt, euch vielleicht diese Positivbeispiele mal genauer angucken könnt, schauen könnt, wie euer Krankenhaus vielleicht bei KliMeG teil werden könnte.
Hast du noch irgendwas, was du auf jeden Fall loswerden willst?
Matthias: Ja, vielen Dank erstmal, dass ich mich hier so ausbreiten durfte. Das Thema ist mir offensichtlich wichtig, das hat man gemerkt (Pia: Ich glaub auch, das hat man gemerkt (beide lachen)). Ich freue mich, wenn es Gehör findet und wenn immer mehr Leute sagen, ja stimmt, da kann man was machen. Das ist gar nicht so ein großer Berg. Wir können einfach mal loslegen.
(Outro Musik wird langsam lauter)
Pia: Cool, vielen Dank dir. Ich hoffe, ihr bleibt ganz optimistisch, wie ich es gerade bin, zurück aus dieser Folge und bis ganz bald. Vielen Dank.
Matthias: Ja, gerne! Tschüss.
Pia: Das war Heilewelt, der Podcast über positive Zukunftsvisionen in der Medizin. Vielen Dank fürs Zuhören.
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Bis ganz bald.